Aufbau
und Wirkung von Familienskulpturen
und der Methode Familienaufstellung
Mit Änderungen aus
"Familienaufstellungen" von Eva Tillmetz, Kreuz-Verlag, 2000
Ausgehend von einem Thema des Aufstellenden, klärt der Therapeut, welche Personen für diese Skulptur gebraucht werden.
Der Aufstellende wählt entweder die ursprünglichen Familienmitglieder oder aber Rollenspieler, die diese doubeln, und formt sie wie Wachsfiguren. Das fällt dem einen Aufstellenden leichter, dem anderen schwerer - keine Sorge, Sie erhalten hierbei vom Seminarleiter Unterstützung und haben in Kürze Übung im Skulpturenstellen. Der Aufstellende soll die Personen dabei richtig anfassen und nicht nur mündliche Anweisungen geben. Über den Körperkontakt bekommt der Rollenspieler zusätzliche unbewusste, nonverbale Informationen von Aufstellenden.
Für die Körperhaltung können die oben beschriebenen Stressmuster oder aber auch eigene Vorstellungen des Aufstellenden als Vorlage dienen. So kann es sein, dass der Vater mit abgewandtem Gesicht zur Familie steht, aber einen erhobenen Zeigefinger immer noch in diese Richtung streckt. Die Mutter wendet sich mit ausgebreiteten Armen und angestrengtem Lächeln den Kindern zu, eines der Kinder steht nah bei der Mutter, schaut allerdings zum Vater, während ein anderes Kind wiederum an Mutters Rockzipfel hängt. (So sähe die klischeehafte Skulptur einer bürgerlichen Familie aus.)
Über Mimik, Gestik und Körperhaltung werden in Skulpturen Nähe und Distanz, Zuneigung und Abwendung ausgedrückt. Gibt es ein Machtgefälle in der Familie, wird die einflussreichste Person auf ein Podest gestellt. Gefühle wie Freude, Trauer, Angst, Liebe, Scham oder Schmerz werden durch die körperliche Darstellung fühlbar und sichtbar gemacht. Hinzu kommt ein typischer Satz, der die innere Haltung der Person widerspiegelt und der jedem Rollenspieler vom Aufstellenden in den Mund gelegt wird. So ist es möglich, dass alle Beteiligten die innere Haltung dieser Person hören. Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit und Tonfall verdeutlichen dabei den Gefühlsausdruck der Botschaft.
Wenn alle Rollenspieler ihre Haltung zugewiesen bekommen haben, werden sie gebeten, mit ihrer Rolle Kontakt aufzunehmen. Die Personen sagen den Satz, den der Aufstellende ihnen gegeben hat, mit entsprechendem Tonfall mehrmals nacheinander und lassen alle entstehenden Eindrücke auf sich wirken.
Dies ist der Punkt, der jemanden, der zum ersten Mal eine Skulptur sieht, vollkommen verblüfft. Familienfremde Rollenspieler nehmen über ihre Haltung und ihren Satz, über die Nähe bzw. Distanz zu den anderen und deren Worten, das innere Erleben der ursprünglichen Familienmitglieder wahr. Sie können oft genau beschreiben, wie sich diese Person in diesem Familiensystem erlebt. Sie sprechen Wünsche und Sehnsüchte aus, die die ursprünglichen Personen tief in sich spüren, aber sich oft lange schon nicht mehr auszusprechen trauen. Übernehmen die Familienmitglieder ihre eigenen Rollen, spüren sie ebenfalls ihr Unbehagen in ungewohnter Deutlichkeit. Nun können sie herausfinden, was sich verändern soll.
Nacheinander werden alle Rollenspieler gebeten, ihre Wahrnehmungen, also Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen, laut auszusprechen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell eine bestimmte Haltung in einem bestimmten Zusammenspiel von Personen Körperreaktionen hervorruft. Treten bei einem Rollenspieler Magenschmerzen, Herzklopfen, Atembeschwerden oder andere körperliche Symptome auf, stimmen diese in den meisten Fällen mit Belastungen des ursprünglichen Familienmitglieds überein.
Der Aufstellende übernimmt in der Skulptur auch seine eigene Haltung, um sie nachzuspüren. So lernt er ,viele unterschiedliche Standpunkte in seinem Familiensystem kennen: seinen eigenen, den jedes anderen, und er erlebt sein Familiensystem auch als Aussenstehender.
Stellt der erste Aufbau der Skulptur die Problemsituation dar, geht es im folgenden darum, wie es weitergeht. Hierfür gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Sind die realen Familienmitglieder anwesend, suchen sie miteinander neue Wege. Jedes Familienmitglied wählt für sich einen neuen Platz aus und verändert seine Haltung. Jeder spürt sich in dieser neuen Situation und erzählt, was er oder sie von sich und den anderen wahrnimmt.
Hat der Aufstellende seine Skulptur mit Rollenspielern gebaut, kann er in seine Rolle hineinschlüpfen und von dort aus für sich einen neuen Standpunkt suchen.